Nicht erst nach meinem letzten Eintrag ist euch vermutlich aufgefallen, dass ich ein Fan der Ideen von Cal Newport bin. Meine Begeisterung dafür ist mit meinem zweiten gelesenen Buch des Jahres, dem US-Bestseller „Konzentriert Arbeiten“ (englischer Originaltitel „Deep Work“), nicht kleiner geworden. Jordan Wegbergs deutsche Übersetzung des Buchs ist 2017 im Redline Verlag erschienen.
Während der deutsche Titel treffend zusammenfasst, worum es in dem Buch geht, liefert der englische Titel einen einprägsamen Begriff:
Deep Work bezeichnet
berufliche Aktivitäten, die in einem Zustand ablenkungsfreier Konzentration ausgeübt werden und Ihre geistigen Kapazitäten an ihre Grenzen bringen. Diese Leistung schafft neuen Wert, verbessert Ihre Fähigkeiten und ist schwer zu kopieren.
„Konzentriert Arbeiten“, Cal Newport, S. 8
Dabei sollte man „berufliche Aktivitäten“ hier nicht zu eng fassen. Auch Schüler*innen oder Studierende können in ihrer Ausbildung genauso von Deep Work profitieren wie Menschen, die einer anspruchsvollen Freizeitbeschäftigung nachgehen und darin erfolgreicher werden wollen.
Ähnlich wie Cal Newports Buch „Digitaler Minimalismus“ kommt auch „Konzentriert Arbeiten“ in zwei Teilen daher: auf den ersten etwa 100 Seiten stellt Newport seine Idee vor und erklärt, warum Deep Work aus seiner Sicht für Wissensarbeiter*innen unabdingbar ist. Im zweiten Teil hat er auf über 150 Seiten verschiedenste Regeln, Strategien und Beispiele gesammelt, wie sich die abstrakte Idee in den Alltag übertragen lässt. Und genauso wie in „Digitaler Minimalismus“ finden sich auch hier wieder etliche Referenzen zu weiterführender (Fach-)Literatur, die ein fast beliebig tiefes Eintauchen in die angesprochenen Themenfelder erlauben.
Doch nun zum Inhalt:
Warum sollte uns Deep Work interessieren?
Laut Newport sprechen vor allem drei zentrale Argumente für Deep Work:
- „Deep Work ist wertvoll“: In unserer Gesellschaft scheinen Multitasking und ständige Verfügbarkeit mehr Wert zu sein als die Fähigkeit, sich in eine schwierige Aufgabe zu vertiefen. In Wahrheit ist allerdings das Gegenteil der Fall: die besonders erfolgreichen Menschen (wobei man Erfolg sehr vielseitig definieren kann) sind oft diejenigen, die sich auf eine Sache konzentrieren und ihr ihre volle Aufmerksamkeit widmen (können).
Sei es im wirtschaftlichen Umfeld, in der Schule oder Universität oder auch im Privatleben: wer sich auf eine einzelne Beschäftigung konzentriert, wird im Allgemeinen mehr Wert und auch Befriedigung darin finden. - „Deep Work ist selten“: Wie schon erwähnt, scheint das konzentrierte Arbeiten in der letzten Zeit in den Hintergrund zu rücken. Vor allem digitale Ablenkungen tragen dazu bei, dass unsere Konzentration permanent von Unterbrechungen bedroht ist. Gleichzeitig wird Geschäftigkeit als Indiz für Produktivität gesehen, sodass eine schnelle, halbgare Antwort auf eine E‑Mail oder Messenger-Nachricht mehr Wert zu sein scheint als eine durchdachte Erklärung am Ende des Tages. Umso weniger erstaunlich ist es, dass die wenigsten von uns sich selber die Zeit geben, sich auf eine Aufgabe zu ihrer Zeit zu konzentrieren und fast alles andere währenddessen auszublenden. Konzentriertes Arbeiten ist (leider) selten geworden.
- „Deep Work ist bedeutsam“: „Ich werde ein fokussiertes Leben führen, denn das ist das Beste, was es gibt“ – diese Entscheidung traf Winifred Gallagher nach ihrer Krebsdiagnose (S. 93). Auch ohne solch einen Schicksalsschlag kann der Versuch, sich auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren sehr sinnvoll sein. Vor allem weil man erstmal klären muss, was für einen selbst überhaupt wichtig ist, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Insofern führt der Versuch, fokussierter zu arbeiten und zu leben, fast zwangsläufig zu einem erfüllteren und bedeutsameren Leben.
Wie schaffen wir es, konzentrierter zu leben und zu arbeiten?
In der zweiten Hälfte des Buchs gibt Newport seinen Leser*innen 4 Grundregeln an die Hand, die er ausführlich erklärt und an Beispielen verdeutlicht. Diese Regeln sollen dabei helfen, Deep Work in den Alltag aufzunehmen. Dazu gibt er unter anderem Ratschläge, um einen strukturierten Zeitplan für Deep Work-Phasen zu entwickeln und Gewohnheiten und Rituale zu finden, die insbesondere beim Einleiten dieser Phasen helfen.
Auch die langweiligen Momente des Lebens sind für Deep Work-Praktizierende immens wichtig. Nicht nur sind viele Deep Work-Tätigkeiten der Sache nach monoton und langweilig. Nach Newports Auffassung kann unser Geist (und unser Körper sowieso) auch wesentlich mehr und länger Höchstleistungen erbringen, als wir es ihm regelmäßig zutrauen, wenn wir ihm entsprechend Zeit für sich selbst geben. Insofern sollten wir langweilige Momente aushalten, begrüßen und nutzen, um uns zum Beispiel mit den eigenen Gedanken auseinander zu setzen. Wichtig ist vor allem, nicht der nächstbesten Ablenkung nachzugeben, sondern unsere Fähigkeit zu trainieren, uns für längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren.
Der Tipp, die digitalen Sozialen Netzwerke zu verlassen, ist für Leser*innen des Buchs „Digitaler Minimalismus“ keine Überraschung und dennoch sehr effizient beim Versuch, mehr Deep Work in unsere Leben zu tragen. Immerhin bieten Soziale Netzwerke praktisch ununterbrochen eine verhältnismäßig sinnfreie und banale Ablenkung von nahezu jeder anderen Beschäftigung. Generell sieht Newport Online-Aktivitäten und ‑Tools als eine große Bedrohung für unsere Fähigkeit zu Konzentriertem Arbeiten.
Schließlich rät uns Newport, „seichte Tümpel trocken [zu legen]“ (S. 210). Gemeint ist damit, so wenig Zeit wie möglich mit „Shallow Work“ zu verbringen, also „kognitiv anspruchslose[n], logistikorientierte[n] Aufgaben, die häufig unter Ablenkung durchgeführt werden“ (S. 12). Dieser Rat ist aus meiner Sicht der wichtigste des gesamten Buchs. Newport erläutert, wie eine Tagesplanung mit Hilfe von Timeblocking dabei helfen kann, weniger Zeit mit Nebensächlichem zu verbringen. Auch ein klar definiertes, vorher festgelegtes Ende des Arbeitstags und ein wirklicher Feierabend ohne (berufliche) E‑Mails auf der Couch können dabei sehr helfen. Vor allem in der jetzigen Zeit des Homeoffice und der quasi permanenten Anwesenheit „am Arbeitsplatz“ (= zuhause :/ ) scheint mir das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem erfüllten Leben zu sein.
Fazit
Alles in allem kann ich die Lektüre dieses fünften Ratgeber-Buchs von Cal Newport allen sehr empfehlen, die auf der Suche nach mehr Tiefe im Leben sind. Insbesondere der einführende Teil sowie die erste und letzte Regel haben meine Sicht auf mein eigenes Arbeitsverhalten verändert. Ich gehe bewusster mit meiner Zeit um, insbesondere wenn es darum geht, komplexe Aufgaben zu erledigen. Ich glaube, in der jetzigen Phase des Corona-Lockdowns, wo auch ich so langsam keine Lust mehr auf das Arbeiten von zuhause habe, war dieses Buch genau die richtige Lektüre. Anstatt noch eine Stunde länger zuhause vor dem Computer rumzusitzen und doch nur E‑Mails zu beantworten, habe ich einen straffen Zeitplan für meine Woche entwickelt. Gearbeitet wird (meistens und mit Pausen) zwischen 8 und 18 Uhr, danach bleibt das Uni-Postfach zu. Das zwingt mich gleichzeitig, in den tatsächlich für meine Arbeit verfügbaren Stunden konzentrierter und disziplinierter das Wesentliche zu tun.
Leser*innen des Buchs „Digitaler Minimalismus“ finden in der zweiten Hälfte dieses Buchs kaum neue Ratschläge. Das ist insofern nicht überraschend, als die Ideen von „Konzentriert Arbeiten“ in seinem neueren Buch häufig zitiert und weiterentwickelt werden. Nichtsdestotrotz ist es empfehlenswert, die Anregungen sowohl aus „Konzentriert Arbeiten“ als auch aus „Digitaler Minimalismus“ in Ruhe zu verdauen. Ich würde zukünftigen Leser*innen dieser beiden Bücher allerdings zur chronologischen Lesereihenfolge raten: Zuerst „Konzentriert Arbeiten“, dann „Digitaler Minimalismus“ lesen (und danach womöglich das Anfang März erscheinende „A World Without Email“?).
So oder so kann ich für mich bestätigen: ein fokussiertes Leben ist wirklich ein sehr angenehmes!
2 Gedanken zu „„Konzentriert Arbeiten“ von Cal Newport“