Ich vermute, jeder Student und jede Studentin kann sich an diese Situation erinnern: das Semester in vollem Gange, viele Vorlesungen, Seminare und Übungen zu besuchen, dazwischen noch mehr kleine Aufgaben zu erledigen, und irgendwann will man sich ja auch mal erholen.
Zumindest für mich waren das immer mal wieder stressige Zeiten, weil ich oft abends noch Termine in der Politik oder mit einem meiner Chöre hatte (oder womöglich beides am selben Tag…). Eine Frage, die ich mir in solchen Situationen oft gestellt habe und die ich für eine der wichtigsten Fragen für ein erfolgreiches Studium halte, ist recht naheliegend: wie teile ich mir meine Zeit am sinnvollsten ein?
Einige Menschen kommen wohl gut damit zurecht, auch ohne sich einen detaillierten Plan zu machen, wann sie was erledigen. Dazu gehöre ich definitiv nicht. Ich brauche Struktur und Klarheit. Nicht nur in meiner Arbeit, sondern vor allem auch in meinem Alltag.
Momentan merke ich (auch corona-bedingt) immer wieder, wie mir meine Zeit desöfteren entrinnt. Deshalb dachte ich, es wäre vielleicht eine gute Idee, meine Erfahrungen zum Zeitmanagement in Schriftform zu reflektieren. Vielleicht verstehe ich mich dann selbst ein bisschen besser und womöglich helfe ich sogar noch wem damit 🙂
Meine Methoden und Erfahrungen damit
Die aus meiner Sicht wichtigste Regel bei all meinen Versuchen, Struktur und Übersicht in meine Aufgaben und meine Zeit zu bekommen, ist denkbar einfach (und übrigens eines der Grundprinzipien von David Allens „Getting Things Done“):
Sammle alle deine Aufgaben an einem Ort!
Auf diese Weise kann nichts verloren gehen und es ist immer klar, wo die aktuellen, offenen Aufgaben sind.
Für mich hat es sich bewährt, meine Aufgaben in der App Todoist zu sammeln. Natürlich könnt ihr auch viele, viele andere Apps verwenden, eine einfache Textdatei führen oder (ganz altmodisch) eine handschriftliche Papier-Liste schreiben. Wichtig ist vor allem, dass ihr eure To Do-Liste und eine Möglichkeit zum Eintragen (fast) immer greifbar habt und alles beisammen ist.
Am Ende eines Tages versuche ich, meine Aufgaben so gut es geht zu sortieren: Wann muss ich sie erledigen? Welches Material brauche ich dafür? Zu welchem meiner Projekte gehört die Aufgabe?
Ich bin nach wie vor nicht endgültig sicher, wie genau ich meine Aufgaben am besten sortiere. Da bin ich selber noch am Ausprobieren und schwanke zwischen einer Einteilung nach Themen, einer Einteilung nach geschätztem Zeitaufwand (warum das wichtig für mich ist, seht ihr unten) und einer Einteilung nach Art der Aktivität. Ich würde mich freuen, wenn ihr eure Erfahrungen dazu mit mir teilt – nichts ist hilfreicher als ein bisschen Input von außen!
Methode 1 – „Reactive List Method“
Die wohl verbreitetste Methode, seine Aufgaben zu erledigen, ist die folgende: Zwischen den einzelnen festen Terminen (zum Beispiel Lehrveranstaltungen, Besprechungen mit Dozent*innen oder Kommiliton*innen) schaut man immer wieder auf seine To Do-Liste und versucht, so viele Aufgaben wie möglich abzuarbeiten. Cal Newport nennt diese Methode in seinem empfehlenswerten Podcast in Episode 7 die „Reactive List Method“. Diese Methode ist mit Sicherheit produktiver als einfach das zu machen, was einem gerade einfällt, aber sie hat viele Wege, einen scheitern zu lassen:
- In den seltensten Fällen klappt es, alle Aufgaben auf einmal zu erledigen. So sammeln sich immer mehr Aufgaben auf der Liste und das Gefühl, nicht mehr Herr (oder Frau) der Lage zu sein, verschlimmert sich mit jedem Blick auf die Liste.
- Wenn man doch mal mit allen aufgeschriebenen Aufgaben fertig ist, fallen einem bestimmt noch mehr Aufgaben ein, die man erledigen könnte. Auch wenn eigentlich alles erledigt ist und man guten Gewissens eine Pause machen könnte, kommen plötzlich Zweifel, ob man wirklich genug gearbeitet hat. Das kann vor allem zu einem Problem werden, wenn die Aufgaben kein wirkliches „Fertig“ kennen (zum Beispiel bei einem Forschungsprojekt oder einer anderen ergebnisoffenen Arbeit).
- Das für mich größte Problem: immer wieder kamen mir (scheinbar) dringende Aufgaben dazwischen, die meine Liste und die Ansätze meines Zeitplans über den Haufen geworfen haben. Mit einer einzigen langen, linearen To Do-Liste weiß man kaum, wann man diese Aufgaben erledigen soll, wenn nicht genau jetzt.
Ihr seht also: diese Methode schafft zwar Ordnung in dem Sinne, dass keine Aufgaben mehr liegen bleiben. Was trotzdem bleibt ist das Ohnmachtsgefühl, nicht über die eigene Zeit verfügen zu können.
Methode 1b – „Reactive List“ meets „Time Blocking“
Relativ naheliegend ist folgende Verbesserung: Nimm deine lange To Do-Liste und
überlege bei jeder Aufgabe, wann du sie erledigen musst oder möchtest.
So kriegst du für jeden Tag eine Liste mit Aufgaben, die an diesem Tag zu erledigen sind. Diese Liste kannst du dann nach und nach abarbeiten und kannst auch beruhigt Feierabend machen, wenn du das Ende der Liste erreichst.
Ein großes Problem bleibt aber bei dieser Methode: wer sagt, dass (gerade in ohnehin stressigen Situationen) nicht mehr Aufgaben anstehen, als du in der verfügbaren Zeit schaffen kannst? Es ist mir mehr als einmal passiert, dass ich große Pläne für einen Tag hatte, nur um dann zu merken, dass meine Zeit überhaupt nicht ausreicht.
Also wieder ein kleiner Fortschritt, aber so richtig erfolgreich und vor allem glücklich wurde zumindest ich mit dieser Methode auch nicht.
Methode 2 – „Time Blocking“
Eine Methode, die ich seit diesem Sommer das erste Mal bewusst verwende und immer weiter verfeinere, ist das so genannte „Time Blocking“. Wer zum Beispiel ein Fan von Elon Musk (oder zumindest seinem Tagesplan) ist, kennt vielleicht die Idee:
- Zerteile deinen Tag in feste Zeitintervalle.
- Mach eine Liste der Aufgaben, die du an diesem Tag erledigen musst/willst.
- Gib jedem Zeitintervall eine Beschäftigung (ich zähle dazu auch Pausen).
- Arbeite fast wie eine Maschine diesen Zeitplan ab so gut es geht.
Natürlich kann es im Laufe des Tages zu Verschiebungen im Zeitplan kommen, wenn mal eine Aufgabe länger dauert als erwartet oder tatsächlich ein dringender Termin dazwischen kommt. Aber im Großen und Ganzen löst zumindest aus meiner Sicht diese Methode die Hauptprobleme von Methode 1, der „Reactive List Method“:
- Das Problem, dass man manche Aufgaben gar nicht bearbeitet, gibt es kaum noch. Natürlich kann es vorkommen, dass man nicht jedes Detail in der geplanten Zeit schafft, aber für viele Situationen ist das auch gar nicht nötig (siehe zum Beispiel das (mit etwas Vorsicht zu genießende!) Pareto-Prinzip) und man kann mittels Time Blocking zumindest kontrollieren, dass für jede Aufgabe eine angemessene Zeit vorgesehen ist.
- Wenn man tatsächlich mit einer Aufgabe früher fertig ist als geplant, kann man beim nächsten Mal besser einschätzen, wie lange man für eine vergleichbare Aufgabe realistisch braucht. Außerdem kann man sich in der freihen Zeit beruhigt ausruhen. Immerhin haben die anderen Aufgaben für den Tag ja schon ihre vorgesehene Zeit und es gibt wirklich nichts, was man genau jetzt tun sollte. Außer: Füße hochlegen, Kaffee/Tee/Kakao trinken, entspannen!
- Um auch auf unerwartete Aufgaben vorbereitet zu sein, plant man im Laufe des Tages ein bisschen Zeit ein, in der man eben genau diese Aufgaben erledigt. Die wenigsten Aufgaben erfordern wirklich „genau jetzt“ eine Reaktion, sondern die allermeisten Dinge können auch mal ein paar Stunden warten.
Das Wichtigste an dieser Variante des Time Blockings ist für mich, möglichst nah an meinem Plan zu bleiben, damit ich im Laufe des Tages gar nicht mehr lange überlegen muss, welche Aufgabe als nächstes kommt oder wann ich dieses oder jenes mache. Ich muss „nur noch“ meinen Plan abarbeiten. Falls ich doch mal aus dem Rhythmus komme, nehme ich einfach die nächste Pause und erstelle für den Rest des Tages einen neuen Plan. Damit komme ich ganz gut zurecht und bin produktiver und gleichzeitig zufriedener mit mir selber. Vor allem kann ich endlich entspannt Feierabend machen!
Wie sieht mein Time Blocking in der Praxis aus?
Für den Fall, dass ich euch überzeugen konnte, dass Time Blocking ein echter Gewinn sein kann, möchte ich zum Schluss kurz beschreiben, wie ich das Ganze momentan in meinem Alltag umsetze.
Wie oben schon erwähnt sammle ich meine Aufgaben in Todoist. Ich habe mir angewöhnt, wirklich jede noch so kleine Aufgabe dort einzutragen, die ich nicht sofort erledigen kann. Dadurch muss ich keine Angst mehr haben, mal eine Aufgabe zu vergessen. Das war für mich tatsächlich eine enorme Erleichterung, weil ich unterbewusst sehr viel Energie und Zeit dafür verbraucht habe, mir einen geeigneten Zeitpunkt für die nicht-notierten Aufgaben zu suchen und sie mir überhaupt zu merken. Ich kann dieses gewissenhafte Aufschreiben jeder einzelnen Aufgabe wirklich nur empfehlen!
Einmal wöchentlich, normalerweise am Sonntagabend, gehe ich meinen Kalender durch und schaue, welche festen Termine in der kommenden Woche anstehen, um die herum ich planen muss. Solche Termine sammle ich in thematischen Kalendern, die ich über Google zwischen meinen Geräten synchronisiere und bei Bedarf mit anderen teilen kann.
Jeden Abend plane ich meinen nächsten Tag:
- Wann habe ich morgen Zeit?
- Welche Aufgaben muss ich morgen erledigen und wie lange dauern sie voraussichtlich?
- Welche Aufgaben will ich morgen erledigen und wie lange dauern sie?
- Verteile die Aufgaben unter 2. auf die verbleibende Zeit zwischen den festen Terminen.
- Mach das gleiche mit den Aufgaben unter 3.
Beim Verteilen der Aufgaben versuche ich darauf zu achten, dass ich zusammenhängende Aufgaben am Stück erledige. Außerdem überlege ich, welche Aufgaben ich zum Beispiel am späten Nachmittag noch machen kann, wenn ich langsam müde werde.
In der Vergangenheit habe ich bisher meine Tagespläne auch in meine digitalen Kalender eingetragen. Das hat dazu geführt, dass mein Kalender furchtbar voll aussah (viel voller als er es oft wirklich war) und ich immer mal wieder erschlagen war von diesen vielen Aufgaben. Farb-codierte Kalender sind nützlich, wenn man sie auf einen Blick erfassen kann. Für meinen detaillierten Tagesplan hat sich das nicht wirklich bewährt (und es ist super umständlich, alle Termine von Hand durch die Gegend zu schieben, wenn mal was aus dem Ruder läuft).
Stattdessen habe ich mir vor Kurzem ein einfaches Notizbuch gekauft, in dem ich für jeden Tag eine Seite anlege, auf der ich meinen täglichen „Stundenplan“ erstelle. Wenn ich einmal aus dem Rhythmus komme, streiche ich einfach den Rest des Tages durch und plane in der Spalte direkt daneben nochmal.
Ich merke, dass ich mit dem neuen Notizbuch konzentrierter arbeiten kann als mit einem elektronischen Kalender. Es reicht, wenn ich nur noch selten in meinen eigentlichen Kalender schaue, zum Beispiel um neue Termine einzutragen. Den ganzen Tag über liegt mein Notizbuch aufgeschlagen neben mir auf dem Schreibtisch und ich habe meinen Tagesplan im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen.
Was will ich noch verbessern?
Wie immer (zumindest für mich) ist das neue System natürlich noch lange nicht perfekt.
Mein System, mit dem ich meine Aufgaben in Todoist organisiere, ist noch lange nicht optimal. Momentan ertrinke ich dort in einer Flut von Projekten, die nützlich waren, so lange ich mich eher auf das Nacheinander-Abarbeiten einzelner Aufgaben konzentriert haben. Mittlerweile ist es für meine Planung wichtiger zu wissen, wie lange eine Aufgabe vermutlich dauern wird, als genau zu wissen, zu welchem Unterprojekt meiner Promotion sie jetzt genau gehört. Da muss ich noch einen guten Weg finden, wie ich den Überblick behalten kann und gleichzeitig den Prozess des Planens nicht unnötig kompliziert mache.
Außerdem merke ich immer wieder, dass ich mich beim Zeitaufwand für einzelne Aufgaben gerne verschätze. Ich denke aber, dass sich das mit der Zeit einspielen wird. Dabei könnte auch das Notizbuch ganz nützlich sein, weil ich darin sehe, bei welcher Art von Aufgaben ich besonders oft umplanen muss. Da war der digitale Kalender sehr viel unpraktischer!
Aber im Großen und Ganzen merke ich, wie mir mein neues System gut tut. Ich konnte selten so entspannt am Abend etwas Erholsames machen, weil ich genau weiß: die Aufgaben von heute sind erledigt – die für morgen muss ich nur noch abarbeiten.
Was sind eure Erfahrungen mit Zeit- und Aufgabenmanagement? Habt ihr besondere Methoden, die für euch gut funktionieren? Oder nützliche Werkzeuge, mit denen ihr euch das Leben und die Planung erleichtert? Womöglich habt ihr sogar ganz konkrete Vorschläge, wie ich mein System noch besser machen kann? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen! Ich freue mich, mit euch zu diskutieren 🙂
Ein Gedanke zu „„Zeitmanagement“ für‘s Studium und darüber hinaus“