Dass ich euch heute schon das erste Buch meines Lese-Jahres 2021 vorstellen kann, habe ich diesem Buch selber zu verdanken. Insofern gleich vorweg: ich war begeistert!
Der Grund für meinen neuen Lese-Eifer ist das Buch „Digitaler Minimalismus – Besser leben mit weniger Technologie“ von Cal Newport (engl. Originaltitel „Digital Minimalism“), auf Deutsch 2019 im Redline Verlag erschienen in der Übersetzung von Jordan Wegberg. Cal Newport, der hier im Blog ja jetzt schon ein paar Mal vorkam, ist ein US-amerikanischer Autor und Computerwissenschaftler an der Georgetown University. In seinem sechsten Ratgeber-Buch diskutiert er seine Vorstellungen eines digitalen Minimalismus als
[einer] Philosophie der Technologienutzung, bei der wir unsere Onlinezeit auf eine kleine Anzahl von sorgfältig ausgewählten und optimierten Aktivitäten konzentrieren, die für uns wertvolle Angelegenheiten intensiv unterstützen, und auf alles Übrige freudig verzichten.
„Digitaler Minimalismus“, Cal Newport, S. 42
Im ersten Teil seines Buchs entwickelt Newport seine Philosophie und begründet deren Nützlichkeit für eine selbstbestimmte, positive Lebensführung. Insbesondere schlägt er eine radikale „digitale Entrümpelung“ vor, in deren 30-tägigem Verlauf auf möglichst viele digitale Ablenkungen verzichtet wird, um anschließend die wirklich nützlichen Dinge kontrolliert wieder einzuführen.
Der zweite Teil des Buchs enthält eine Reihe von Übungen, die sich jeweils auf einen bestimmten Bereich der privaten Lebensführung beziehen, der als wertvoll angesehen wird.
Eine klare Kritik der modernen Aufmerksamkeitsindustrie
Newport, der berufsbedingt definitiv kein Technik-Feind ist, versteht es, die Auswüchse der „Aufmerksamkeitsindustrie“, die sich in den sogenannten Sozialen Netzwerken manifestiert hat, klar zu benennen und ihre Auswirkungen insbesondere auf das Leben jüngerer Menschen deutlich zu analysieren. Obwohl er selber kein Nutzer von Sozialen Medien ist, kann er seine Vermutungen durch diverse Fallbeispiele und psychologische Untersuchungen untermauern und hat als Außenstehender einen vermutlich klareren Blick als so manche Nutzer*innen von Facebook, Twitter und Co. In überzeugender Art und Weise legt er dar, wie soziale Medien sich von einer netten „Neuheit“ nach und nach zu einem der größten Probleme der digitalisierten Welt entwickelt hätten: Nicht nur führe die Omnipräsenz von Facebook und Co. auf unseren Smartphones zu einem enormen Einbruch unserer Produktivität, sondern sie habe gleichzeitig dramatische Folgen für unsere psychische Gesundheit, dadurch dass wir eine positive Form der Einsamkeit verlernt haben.
Eine ganze Reihe wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Referenzen erlaubt es, bei Interesse tiefer in die Thematik einzusteigen und sich ein Bild der aktuellen Forschungslage und der Konsequenzen für unseren Alltag zu machen. Durch die Lektüre dieses Buches hat sich meine „Lese-Warteliste“ um mindestens 10 Bücher und Artikel verlängert. Sicherlich nicht der schlechteste Nebeneffekt.
Die Wiederentdeckung des Analogen
Im Gegensatz zu anderen Technik-Kritikern leugnet Newport die positiven Effekte des Digitalen nicht – wie könnte er, als Informatiker. Allerdings gehe es darum, die übermäßige und ungezielte Nutzung insbesondere von Smartphones zu reduzieren und durch nachhaltigere Alternativen zu ersetzen. Um das zu verdeutlichen führt er Erfahrungsberichte von Teilnehmenden eines Experiments zur „digitalen Entrümpelung“ an, das er im Januar 2018 mit Leser*innen seines Newsletters durchgeführt hat. Diverse verschiedene Lebensrealitäten und Arten der Mediennutzung geben Inspiration, worauf man selber mal verzichten könnte oder sollte.
Um die frei gewordene Zeit bewusster und hochwertiger zu nutzen, bieten die Übungen im zweiten Teil etliche interessante Anregungen, was man statt des niedrigwertigen Gebrauchs digitaler Geräte machen könnte. Vieles davon führt letztlich zu einer Wiederentdeckung des Analogen, die insbesondere für technikaffine, jüngere Leser*innen sehr erhellend sein dürfte. Auch hier findet wieder eine sinnvolle Einbettung in einen weiteren Kontext statt, was es einem leicht macht, die vorgestellten Ideen auf den eigenen Alltag zu übertragen.
Fazit
Nach der Lektüre des Buchs und, damit verbunden, der Reduzierung meiner Zeit mit digitalen Geräten war ich sehr erstaunt darüber, wie viel Freizeit ich auf einmal zur Verfügung hatte. Meine Favoriten betreffend die sinnvolle Nutzung der neugewonnene Zeit sind schon jetzt lange, stille Spaziergänge (ohne Smartphone und iPod) und mehr analoges Lesen. Momentan bin ich in der Anfangsphase der „digitalen Entrümpelung“, in der ich meine Mails nur noch zu festgelegten Zeiten lese, mein Smartphone so weit weg wie möglich liegen lasse und meine Internet-Nutzung generell stark reduziere. Schon nach der ersten Hälfte des Buchs war ich hoch motiviert, die vorgestellten Ideen auszuprobieren. Und ich merke jetzt schon, wie sehr ich mich durch einige wenige Nutzungsänderungen mental positiv verändere. Früher hätte ich mit Sicherheit nicht innerhalb einer Woche ein solches Buch gelesen, danach freiwillig mit dem nächsten Buch angefangen und mein beiläufiges Spielen auf dem Smartphone beim ersten Zeichen von Langeweile durch das Lesen eines gedruckten Textes ersetzt.
Insofern ein klares Fazit: Lest dieses Buch! Und genießt die viele Zeit, die ihr auf einmal habt!
Könnt ihr euch vorstellen, dass euch so eine digitale Erholungskur auch gut tun würde? Oder haltet ihr das alles für Unfug? Ich würde mich freuen, von euch zu erfahren, ob euch das Buch gefallen hat, wenn ihr es gelesen habt, und was ihr von der Idee des digitalen Minimalismus haltet. Schreibt es gerne in die Kommentare 🙂
Ein Gedanke zu „„Digitaler Minimalismus“ von Cal Newport“